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VUKA- und BANI-Welt, Kultur der Digitalität, Future Skills, AI Literacy... wie hängt eigentlich alles zusammen?

  • Autorenbild: Alexander Ludwig
    Alexander Ludwig
  • 31. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

Ein Praxisbericht aus der Arbeit mit einem berufsbildenden Schulzentrum (Teil 1)


Im Rahmen eines Kick-offs mit Keynote und Podiumsdiskussion hat sich das 180-köpfige Kollegium eines großen berufsbildenden Schulzentrums auf den Weg gemacht, das bestehende Digitalkonzept von 2019 umfassend "upzudaten".

Die Begriffe „Kultur der Digitalität“, „AI Literacy“ und „Future Skills“ sind im bisherigen Konzept wenig oder gar nicht vertreten. Wenn man es sich genauer vorstellen möchte, könnte man auch fragen, welche Entwicklungen es seit 2019 gegeben hat, die nicht berücksichtigt werden konnten: COVID-19, Ukrainekrieg, Markteinführung von ChatGPT, uvm.

Die große Herausforderung bestand zunächst darin, alle Kolleg:innen abzuholen, zu beteiligen und das „wofür“ hinter dem Update-Gedanken klar aufzuzeigen. Hierzu habe ich versucht, meine Gedanken zu bündeln und die derzeit „herumschwirrenden“ Begriffe einzuordnen:

 

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Überblicksartiger Entwurf: Rahmenbedingungen (grau), Kompetenzen (blau), Ergebnis (gelb)


Die Wahrnehmung der eigenen Lebenswelt in der Digitalität ist geprägt durch hohe Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUKA-Welt). Durch die konstante Konfrontation mit einer unendlichen Masse an Informationen im digitalen und analogen Raum, wird die Welt als brüchig wahrgenommen, was bei den Menschen Angst und das Gefühl der Nicht-linearität von Ereignissen auslöst und damit zu einer Unbegreiflichkeit führt (BANI-Welt).


„Digital“ ist in der Kultur der Digitalität nicht mehr von „analog“ zu trennen. „Digitale“ Kompetenzen sind in der Digitalität als umfassende Kompetenzen zur Erschließung der sozio-kulturellen Lebenswelt zu verstehen und keine reine Methodenkompetenzen (mehr) im Umgang mit digitalen Geräten und Applikationen. Ein umfassendes digitales Lernen in der Digitalität beinhaltet deshalb die Dimensionen des Lernens mit, durch, über, trotz und ohne digitale Medien.


Die Digitalität verändert und ergänzt bisherige sozio-kulturelle Praktiken im Vergleich zur Kultur der Schriftlichkeit. Leben, Lernen und Arbeiten in der Digitalität folgt den Prinzipien der Orts- und Zeitunabhängigkeit, der Vernetzung, der Multimodalität und Interaktivität. (nach F. Nix)


Die zugrundeliegenden Bedingungen der Algorithmizität, Referenzialität und Gemeinschaftlichkeit(nach F. Stalder) prägen die Kultur der Digitalität. Die Algorithmizität beschreibt die Annahme, dass (nahezu) jede Information, die uns erreicht durch einen Algorithmus gefiltert oder ausgewählt wurde. Die Referenzialitätgeht davon aus, dass wir konstanten Zugang zum gesamten Weltwissen haben und (statistisch gesehen) bestehende Kommunikation in neue Bedeutungskontexte setzen und zur eigenen (neuen) Kommunikation nutzen. Die Gemeinschaftlichkeit geht davon aus, dass Zuspruch und Ablehnung der eigenen Peergroup substanziell über das eigene Verständnis von Wahrheit entscheiden (z.B. Echokammern, Cancle-Culture, etc.).


Um in der Digitalität souverän agieren zu können, benötigen Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit, Veränderungen in ihrer Umwelt vor dem Hintergrund dieser Bedingungen wahrnehmen, einordnen und bewältigen zu können. Zusätzlich müssen sie in der Lage sein, ihre erworbenen (Zukunfts-)Kompetenzen in immer neuen Kontexten reflektiert zur Anwendung zu bringen.


Zu diesen Zukunftskompetenzen (6C), die als Metakompetenzen zu verstehen sind, zählen:

- Kommunikation: Die Fähigkeit eigenes Denken mündlich und schriftlich verbalisieren zu können.

- Kollaboration: Die Fähigkeit, gemeinsam mit anderen zu agieren, um eigene und kollektive Ziele zu erreichen.

- Kritisches Denken: Die Fähigkeit, Informationen ein- und zuordnen sowie bewerten zu können, um sie sich für das eigene kritische Denken zunutze machen zu können.

- Kreativität: Die Fähigkeit, aus bestehendem Wissen und vorhandenen Kompetenzen neues zu denken und umzusetzen.

- Persönlichkeit (Character): Die Fähigkeit und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen und die Ausbildung eines „Growth-Mindsets“.

- Globale Verantwortung (Citizenship): Die Fähigkeit und Bereitschaft, globale Herausforderungen mit Hilfe des eigenen Wissens und der eigenen Kompetenzen auf lokaler Ebene kollaborativ zu lösen.


Diese Metakompetenzen (Zukunftskompetenzen) werden komplementär durch eine kritische Menge an theoretischem und praktischem Fach- und Methodenwissen ergänzt, das Lernende dazu befähigt, lebensweltliche Phänomene unter Zuhilfenahme geeigneter Werkzeuge unabhängig verstehen und kritisch bewerten zu können.

Die souveräne Navigation durch die Kultur der Digitalität setzt weiterhin die Fähigkeit voraus, sich Wissen über Funktion, Anwendung und Wirkung (Dagstuhl-Dimensionen) von (digitalen) Phänomenen aneignen zu können (z.B. Computer Literacy, AI Literacy (KI-Kompetenzen)). Im Umgang mit KI müssen Lernende z.B. über Wissen in diesen vier Bereichen verfügen, um KI sicher, souverän und zielgerichtet einsetzen zu können:

- Funktion: Wie funktioniert (generative) KI? Die verschiedenen Arten von KI einschätzen und deren Potenziale und Limitationen einschätzen können.

- Anwendung: Wie wende ich (generative) KI an? Anwendungsszenarien im privaten und beruflichen Alltag kennen und ausprobieren.

- Wirkung: Wie wirkt (generative) KI? Die Fähigkeit, Auswirkungen von KI(-Nutzung) auf Individuen und die Gesellschaft sowie die Bedeutung für sich und die Gesellschaft abschätzen zu können.

- Gestaltung: Wie gestalte ich unter Zuhilfenahme von (generativer) KI? Die Fähigkeit und Bereitschaft, Probleme unter Zuhilfenahme der eigenen Kompetenzen und des eigenen Wissens, mit Hilfe von KI zu lösen und neue Lösungsansätze zu entwickeln, die nur durch KI möglich werden.

(Digitale) Resilienz: In der Kultur der Digitalität sind Individuen konstanten (digitalen) Stimuli ausgesetzt, die Auswirkungen auf die eigene Befindlichkeit und Disposition haben (können). Daher ist es essenziell, diese Auswirkungen auf das Selbst wahrnehmen, einschätzen und geeignete Maßnahmen zur Gesunderhaltung treffen zu können. Diese Fähigkeit kann ebenfalls unter die Zukunftskompetenz „Persönlichkeit“ gefasst werden, wird wegen ihrer hohen Relevanz hier aber noch einmal zusätzlich aufgeführt.

 Diese Fähigkeiten bei den Lernenden anzubahnen und auszubilden ist die vorrangige Aufgabe von „Lehrkräften“ in dynamischen Rollen in der Digitalität.


Ich freue mich über Kommentare und konstruktive Vorschläge zur Weiterarbeit. Wer die Formulierungen für die eigene Arbeit nutzen möchte, kann mich gerne dazu kontaktieren.


Teil 2 des Erfahrungsberichts zur Integration der Future Skills als Leitperspektive findet ihr hier.


Studien:

Literatur:

Brandhofer, G. (2023): Didaktik in einer Kultur der Digitalität. Klinkhardt.

Honegger, B. D. (2017): Mehr als 0 und 1. 2. durchgesehene Aufl., hep-Verlag.

Honegger, B. D. (2025): Generative Machine-Learning-Systeme – Die nächste Herausforderung des digitalen Leitmedienwechsels, In: Brägger, G. & Rolff, H.-G. (Hrsg.), Handbuch Lernen mit digitalen Medien (S. 14–36).

Nix, F. (2024): Digitalität als Prinzip. Cornelsen.

Stalder, F. (2016): Die Kultur der Digitalität. Edition Suhrkamp.

Handreichungen:

KMK: Lehren und Lernen in der digitalen Welt. Die ergänzende Empfehlung zur Strategie „Bildung in der digitalen Welt“. 2024. (https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2021/2021_12_09-Lehren-und-Lernen-Digi.pdf).

Forum Bildung Digitalisierung: Navigator Bildung Digitalisierung. 2024 (https://www.forumbd.de/projekte/navigator-bd/).

Stifterverband: Future Skills lehren und lernen. Schlaglichter aus Hochschule, Schule und Weiterbildung. 2024.  (https://www.stifterverband.org/sites/default/files/2024-10/future_skills_lehren_und_lernen.pdf?locale=de).

Weiterführende Artikel (u.a.):

Blume, Bob: Kultur der Digitalität – eine kritische Betrachtung (https://bobblume.de/2021/07/12/kulturderdigitalitaetkritik/).

Pölert, Hauke: Vom T-PACK zum D-PACK-Modell – Unterrichtsentwicklung unter den Bedingungen der Digitalität (https://unterrichten.digital/2024/10/07/dpack-modell-tpack-unterricht/).

 

 
 
 

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